Link zur Seite versenden   Druckansicht öffnen
 

Geschichte der Kräuterliköre in Deutschland

Vor 1600 gab es in Deutschland Leute, die Wasser, Alkohol und Zucker gemischt haben, um daraus Arzneimittel herzustellen. Diese Mischungen waren nicht als Genußgetränk erhältlich, sondern wurden nur regional von Ärzten bzw. Apothekern hergestellt zur Verbesserung von schlechten Gesundheitszuständen. In Frankreich, Spanien und Italien gab es jedoch schon vereinzelt Kräuterliköre als Getränke. Der größte Teil der jemals in Deutschland auf dem Markt gewesenen Kräuterliköre waren Erfindungen aus den Ostgebieten und Mitteldeutschlands. In den westlichen Bundesländern wurde seit jeher traditionell Obst zu Bränden und Likören verarbeitet. Gewerbsmäßig angefangen hat alles in Danzig. Im Jahre 1598 siedelte sich ein Holländer namens Ambrosios Vermöllen in Danzig an. Dieser hatte französische Rezepte mitgebracht und gründete dort die erste Likörfabrik in von Deutschen bewohntem Gebiet. Unterdem Namen „Der Lachs“ produzierte die Familie sehr viele heute noch berühmte Kräuterliköre, wie z.B. das Danziger Goldwasser oder den Krambambuli. Innerhalb der nächsten 50 Jahre wurden in der näheren Umgebung dieser Firma weitere Likörfabriken gegründet. Es ist davon auszugehen, dass sich Leute, die dort gearbeitet haben, Rezepte abgeschrieben und Herstellungstechniken abgeschaut haben, um sich dann selbstständig zu machen.

 

Bis ca. 1700 haben sich dann in mehreren großen deutschen Städten Kräuterlikörfabriken angesiedelt. Neben Danzig wurden später Breslau, Posen, Stettin, Stargard, Oppeln, Krakau, Berlin, Leipzig, Chemnitz zu Zentren der deutschen Kräuterlikörproduktion. In historischer Literatur ist immer wieder von Danziger oder Breslauer Likören die Rede, welche aufgrund ihrer besonderen Qualität große Berühmtheit erlangten. Bis ca. 1800 wurden diese Kräuterliköre mit Hilfe der Destillation hergestellt – sie wurde gezuckert angeboten und waren somit aufgrund des sehr hohen Zuckerpreises Genußgetränke für die reiche Oberschicht. Aufgrund des sehr regen Handels waren auch Kräuter aus anderen Erdteilen erhältlich, welche importiert und verarbeitet wurden. Jedoch musste man für diese exotischen Kräuter auch oftmals viel Geld bezahlen, so dass Kräuterliköre – speziell zusammengesetzte Kräuterliköre - für die normale Bevölkerung unerschwinglich waren. Bis 1800 gab es nur wenige Hersteller. Man kann davon ausgehen, dass es in größeren deutschen Städten mit mehreren 1000 bis 10000 Einwohnern durchschnittlich eine, höchstens zwei Likörfabriken gab. Zu damaligen Zeiten gab es den Berufszweig des Liquoristen, welcher mit Hilfe von sehr vielen Ansatzreihen, in denen verschiedene Kräuter mit Wasser und Alkohol kombiniert wurden, versuchte neue schöne Geschmacksrichtungen zu kreieren. Zwischen 1750 und 1780 etablierte sich eine weitere Herstellungsmethode im Kräuterlikörbereich die Mazeration. Dabei handelt es sich um ein Kaltextraktionsverfahren eines Ansatzes. Ungefähr in dieser Zeit wurden von Apothekern pflanzliche Konzentrate (Mazerate) in kleine Tropffläschchen abgefüllt und gegen Magenbeschwerden verkauft, da diese bemerkten, dass pflanzliche Bitterstoffe sehr stark magenwirksam sind. Um ca. 1800 gab es sehr viele Apotheker im Lande, die solche Bitterstoffkonzentrate in ihren Apotheken anboten und verkauften. Wird ein kleiner Teil eines solchen konzentrierten Auszuges (Mazerat) mit Wasser, Alkohol und Zucker vermischt, erhält man einen Magenlikör, bzw. einen Magenbitter (wird der Zucker weg gelassen). Es dauerte nicht lange, bis auch Magenbitter als Getränk gegen Magenbeschwerden erhältlich waren. Natürlich bemerkten auch die Likörhersteller diese sehr gut verkäuflichen Produkte und so wurde diese neue Herstellungsweise ganz schnell auch bei den Getränkeherstellern übernommen. Im Zuge der industriellen Revolution gab es nach 1800 sehr viele Neugründungen von Kräuterlikörherstellern. Viele der ehemals berühmtesten auch überregional bekannten Firmen wurden in der Zeit zwischen 1800 und 1850 gegründet, wie z.B. 1823 Kantorowicz (Posen), 1835 Mampe (Stargard), 1840 Buntebarth Prenzlau. Als dann ab ca. 1850 industriell hergestellter Zucker in Europa zur Verfügung stand, ist die Anzahl der Kräuterlikörfabriken sehr stark angestiegen, da natürlich viele Leute auf den Zug mit aufspringen wollten. Es gab in kurzer Zeit sehr viele neue Hersteller und so wurden Kräuterliköre zu wahren Volksgetränken. Es begann die fast 100-jährige Hochzeit der deutschen Kräuterliköre, welche mit dem Ende des 2. Weltkrieges endete. Aufgrund der großen Konkurrenzsituation unter den Herstellern und der natürlich teuren Preise für echte Kräuter konnten viele Hersteller nach kurzer Zeit von ihrem Gewerbe nicht mehr leben und so wurden weitere neue Herstellungsmethoden entwickelt – die Herstellung von Kräuterlikören mit Hilfe von Aromen, Essenzen und ätherischen Ölen. Es wurden große Aroma- und Essenzenfabriken speziell in Mitteldeutschland gegründet, die billige Grundstoffe lieferten und an die Hersteller verkauften. Später gab es solche Grundstoffhersteller auch in den westlichen Bundesländern, z.B. in Westfalen und Baden. Nach dem Ende des 2. Weltkrieges wurden auf dem Gebiet der ehemaligen DDR ca. 99% aller Hersteller ihrer Destillationsanlage von der russischen Armee beraubt, da diese damals auch schon aus Kupfer waren und das damals ein sehr wertvoller Rohstoff war. Die wenigen Firmen, die ihre Destillationsanlage behalten durften und anfangs auch noch ein großes Sortiment im Kräuterlikörbereich hatten, wurden in der DDR-Zeit meist verstaatlicht oder ganz geschlossen. Wenn diese Firmen die DDR überstanden hatten, wurde jedoch das Sortiment meist jedoch so eingeschrumpft, dass am Ende, wenn überhaupt noch ein Kräuterlikör übrig geblieben war, dieser meist ein Halb & Halb oder ein Boonekamp war. In den westlichen Bundesländern gab es in den 50-er, 60-er und 70-er Jahren ein großes Likörfabriksterben, so dass die meisten der damals berühmten Firmen, wie z.B. Kantorowicz, Mampe, Fugger usw. vom Markt verschwanden. Dies begründete sich auch damit, dass sich der Volksgeschmack nach dem Krieg änderte. Heute erleben wir wieder eine Renaissance kleiner Hersteller, welche mit individuellen Kreationen überzeugen und sich neben den großen marktbeherrschenden Firmen zu behaupten versuchen.

nach oben
Neuigkeiten